Wir erleben eine Zeit tiefgreifender Umbrüche. Nachdem Unternehmen aller Wirtschaftszweige pandemiebedingt in kürzester Zeit ihre Prozesse radikal umstellen mussten, folgen aufgrund internationaler Konflikte mit Materialknappheit und Energieengpässen die nächsten Herausforderungen auf dem Fuße. Gleichzeitig kämpfen Unternehmen nach wie vor mit einem anhaltenden Fachkräftemangel und harter internationaler Konkurrenz, die den Kosten- und Zeitdruck verschärfen. Nicht zu vergessen die Transformationsaufgabe, vor die der Klimawandel Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen stellt. All diese Faktoren zwingen große wie kleine und mittelständische Unternehmen, ihre Methoden, Prozesse und Technologien neu zu denken. In seinem Auftrag als FuE-Dienstleister mit Blick auf künftige Bedarfe der Industrie hat das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK Hintergrundgespräche mit Leitungspersonen verschiedener Branchen im produzierenden Gewerbe geführt. Sie haben ihre Einschätzung zum technischen und methodischen Entwicklungsstand sowie zu anstehenden Aufgaben in ihren jeweiligen Industriezweigen geteilt. Die Fraunhofer-Forscher leiten daraus Forschungs- und Entwicklungsbedarfe für fünf Themenfelder ab:
Datenmanagement, -vernetzung und -analyse
Effizientes Datenhandling, sichere Datenübertragung und intelligente Datennutzung heben die Wertschöpfung auf eine neue Stufe. Prozesse können vereinfacht und beschleunigt werden, zum Beispiel mit Künstlicher Intelligenz (KI) und Maschinellem Lernen. Intelligente Ablaufsteuerung wird ebenso Realität wie adaptive Assistenzsysteme, die das Variantenmanagement, die Qualitätssicherung oder die Instandhaltung des Maschinenparks unterstützen.
Fertigungssysteme und Produktionssteuerung
Eine datengetriebene, vernetzte Fertigung bringt Flexibilität in die Produktion. Statt hochintegrierter, fest verketteter Anlagen favorisieren Hersteller zunehmend modulare Anlagensysteme, die flexibel miteinander vernetzt werden, um verschiedenste Varianten eines Produkts oder unterschiedliche Produkte zu fertigen. Automatisierungslösungen adressieren nicht nur Produktions- und Montageprozesse, sondern auch die Intraprozess-Logistik im Shopfloor.
Intelligente mechatronische Anlagentechnik
Integrierte Sensorik und Netzwerktechnologien helfen, den Zustand und das Verhalten von Anlagen zu überwachen und in Digitalen Zwillingen abzubilden. Damit lassen sich Prozesse effizienter einstellen als je zuvor. Moderne Kraftregelung und neue Lösungen zur Mensch-Roboter-Kooperation machen Roboter zu universell einsetzbaren Bearbeitungsmaschinen. Bearbeitungsstrategien für neue umweltfreundliche Hochleistungswerkstoffe beschäftigen die Unternehmen ebenso wie urformende Verfahren.
Wissen und Assistenz in der Produktion
Hochkomplexe Technologien müssen für die Bedienenden beherrschbar gemacht werden, auch wenn ihre Ausgangsqualifizierung für den Umgang damit nicht optimal ist. Kontextsensitive Assistenzsysteme unterstützen dabei situationsgerecht und sichern das Know-how von Prozessexpertinnen und -experten im Unternehmen. Technologieorientierte Weiterbildungen, Serious Games und realitätsnahe Lernfabriken vermitteln Produktionsmanagement- und -steuerungsmethoden interaktiv.
Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit
Verlangsamte oder geschlossene Energie- und Materialkreisläufe in einer Kreislaufwirtschaft helfen, den Ressourcen- und Energieverbrauch zu reduzieren, während weniger Abfall und Emissionen anfallen. Ein wichtiger Schlüssel liegt dabei im Remanufacturing und Refurbishing. Am Ende der Nutzungszeit werden Produkte nicht entsorgt, sondern aufgearbeitet oder in Bestandteile zerlegt, die verwertet oder sogar weiterverwendet werden können.
"In den kommenden Jahren wird sich eine Produktionswelt etablieren, in der alle beteiligten Ressourcen – Menschen ebenso wie einzelne Anlagen oder vernetzte Systeme – Daten erheben, ihren Zustand kommunizieren und Aufgaben interaktiv koordinieren“, sagt Prof. Dr. h. c. Dr.-Ing. Eckart Uhlmann, Institutsleiter des Fraunhofer IPK. „Immer mehr Unternehmen packen diese Herausforderungen mit digitalen Methoden an. So kommt in der Praxis an, was als Industrie 4.0 postuliert wurde und was wir am Fraunhofer IPK als digital integrierte Produktion bezeichnen."
Autor(en): wi