Die Digitalisierung stellt die Lackindustrie vor besondere Herausforderungen. Diesen stellt man sich am besten mit vereinten Kräften, findet eine Gruppe von Branchenakteuren und hat die Smart Paint Factory Alliance gegründet. Ihre Vision ist eine digitalisierte, durchgängige, nachhaltige und wettbewerbsfähige Lackindustrie, idealerweise weltweit. Wir sprachen mit Dr. Meiko Hecker, Geschäftsführer von AOM-Systems sowie Gründungsmitglied der Allianz, über das Projekt, die Ziele und Vorteile für Anwender von Applikationstechnik.
Herr Dr. Hecker, worum geht es bei der Smart Paint Factory Alliance?
Die Smart Paint Factory Alliance soll helfen, das Potenzial der Digitalisierung zu nutzen, das jeder von uns schon heute in seinen Prozessen hat. Von entscheidender Bedeutung ist hierbei, dass die gesamte Wertschöpfungskette, also von den ursprünglichen Rohstoffen bis zum fertig beschichteten Bauteil, betrachtet werden soll. Etwas größer Ausgedrückt, geht es natürlich auch darum, den Vorsprung der eigenen Industrie auszubauen und nachhaltig zu sichern, indem wir Innovationen schaffen und das machen was wir am besten können: Gute Produkte inkrementell verbessern.
Digitalisierung betrifft die gesamte Industrie – was sind die besonderen Herausforderungen, denen sich die Lackbranche gegenübergestellt sieht?
Die Herausforderung im Bereich der Lacktechnik ist die Vielzahl der Akteure. Soll die gesamte Wertschöpfungskette digitalisiert werden, brauchen wir Rohstoffexperten, Chemiker, Maschinenbauer, Strömungstechniker, Roboter- und IT-Experten. All diese Akteure müssen eine Sprache sprechen und Daten über einheitliche Formate austauschen. Das Lackierergebnis ist von einer Vielzahl von Prozess- und Materialparametern abhängig. Nur wenn es uns gelingt, die gesamte Wertschöpfungskette zu digitalisieren, können Lackierprozesse und die Korrelation von Prozessparametern verstanden werden. Genau hier liegt einer der Ansätze der Alliance – die durchgängige und vollständige Datenerfassung und Auswertung. Ein Thema, welches zumindest firmenübergreifend noch sehr stiefmütterlich oder gar abwehrend behandelt wird.
Wie wollen Sie diese realisieren?
Durch die gemeinsame Arbeit an konkreten Problemen und den daraus resultierenden konkreten Lösungen in Best-Practice-Beispielen wollen wir den Marktteilnehmern zeigen, wo die Chancen hierin liegen und dass diese die befürchteten Risiken übersteigen. Die Allianz will Austauschformate finden, die sich an dem berechtigen Schutzinteresse des Know-hows orientieren und trotzdem ermöglichen, dass Daten über die Supply Chain zum Vorteil aller genutzt werden können.
Welche Ziele haben Sie konkret? Und wie ist der zeitliche Horizont, in dem Sie diese erreichen wollen?
Nach unserem erfolgreichen Workshop Ende März dieses Jahres ist es unser kurzfristiges Ziel, diese Arbeit in weiteren Workshops zu ausgewählten Teilen der Wertschöpfungskette, wie der Applikation, fortzuführen und diese zu etablieren.
Wie sind die ersten Erfahrungen mit der Allianz?
Unsere Erfahrung mit der Allianz ist durchweg positiv. Bei dem ersten Workshop Ende März in Krefeld hatten wir über 50 Teilnehmer aus der Wirtschaft. Das Thema ist also – wenig überraschend – ein für die Industrie relevantes Thema, aber es scheint auch Interesse an unserem "Angebot" dazu zu geben. Jetzt liegt es an uns, den Mitgliedern der Allianz, den Workshop-Teilnehmern sowie den Interessierten, den guten Anfang fortzusetzen – wir freuen uns schon auf den nächsten Workshop, der für November geplant ist.
Wie groß kann und soll die Allianz werden? Suchen Sie weitere Mitstreiter?
Die Idee der Allianz – die Datennutzung über die eigenen Systemgrenzen hinweg, lebt von aktiven Mitstreitern. Daher soll die Allianz selbstverständlich wachsen und wir freuen uns über Mitstreiter aus verschiedensten Bereichen. Aktuell suchen wir sogar noch aktiv nach Interessierten Teilnehmern. Interessenten können sich einfach per E-Mail melden unter: HQ@smartpaintfactory.com. Das Ziel von meinem Kollegen in der Allianz Björn Speckmann vom Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM und mir ist es, im Laufe der nächsten Zeit insbesondere die Zahl der Applikationsanwender zu erhöhen.
Lesen Sie das komplette Interview in der Ausgabe 09/2022 von JOT.
Autor(en): mak