In Zeiten der Digitalisierung nimmt die automatische Prozesskontrolle einen immer höheren Stellenwert ein. Sie gewährleistet eine konstante Qualität und erhöht die Prozesssicherheit in der Vorbehandlung. Zur Automatisierung des Vorbehandlungsprozesses bieten sich unterschiedliche Möglichkeiten an: Neben der etablierten automatischen Nachdosierung der Chemikalien sind auch vollautomatische Badneuansätze möglich und unter sicherheitsrelevanten Gesichtspunkten dem manuellen Ansetzen vorzuziehen. Mit der geeigneten Auswahl der Pumpen können sowohl kleine als auch große Mengen mit der gleichen Pumpe gefördert werden. In einigen Fällen kommen noch zusätzliche Pumpen zum Einsatz. Da die Chemikalien hierbei in fest verlegten Leitungen direkt ins Bad gefördert werden, ist die Gefahr eines Arbeitsunfalls stark reduziert. Auch Verwechslungen der Chemikalien beim manuellen Dosieren werden praktisch ausgeschlossen, was die Prozesssicherheit erhöht. Sind die Pumpen durch ein Programm gesteuert, kann dieses zusätzlich die Verbräuche der Chemikalien erfassen und überwachen, so dass Unregelmäßigkeiten schnell auffallen und korrigiert werden können. Ebenso können die Bestände der einzelnen Chemikalien überwacht und, wenn gewünscht, direkt Bestellungen beim Lieferanten ausgelöst werden.
Vorrausschauende Dosierung
Neben der Dosierung über Sensorwerte und nachträglich im Labor erfasste Badwerte ist eine vorausschauende Dosierung wünschenswert, um nicht auf Änderungen im Bad reagieren zu müssen, sondern diese erst gar nicht entstehen zu lassen. Dies kann zum Beispiel erreicht werden, indem der Zulauf von Frischwasser erfasst und in die Dosierung der Chemikalien mit einberechnet wird. Auch eine Dosierung abhängig von der Anzahl der Warenträger oder der vorbehandelten Fläche ist möglich. Dadurch kann eine konstante Fahrweise und damit konstant hohe Qualität erzielt werden. Die Zuführung von Frischwasser kann bedarfsgerecht nach Leitwerten erfolgen und so im Sinne der Nachhaltigkeit die Menge an Frischwasser, Abwasser und chemischen Produkten reduzieren. Mit einfachen technischen Mitteln lassen sich eine automatische Reinigung und mitunter sogar die Kalibrierung von Sonden umsetzen. Dadurch kann bei gesteigerter Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit der Wartungsaufwand gesenkt werden. Im Zuge der digitalen Steuerung sind zudem umfangreiche Kommunikations- und Speicherungsmöglichkeiten realisierbar. Alarme bei Grenzwertüberschreitungen oder Störungen sind nicht nur vor Ort sichtbar, sondern können auch an mobile Geräte gesendet werden. Sämtliche Eingangsgrößen wie die Sensorwerte der Bäder oder die zur Dosierung herangezogenen Laborwerte werden gemeinsam gespeichert und stehen zentral zur Auswertung zur Verfügung. Eine Fernwartung der Steuerung und ein Fernzugriff auf sämtliche erfasste Daten sind möglich. Zusammen mit einem Anwender hat Henkel diese Konzepte in die Praxis umgesetzt und eine vorhandene 10-Zonen-Kammertakt-Vorbehandlungsanlage mit einer umfangreichen automatischen Steuerung ausgerüstet. So konnte eine viel gleichmäßigere Fahrweise aller Bäder erreicht werden.
AR-Brillen in der Linienbetreuung und im Troubleshooting
Um neben der Systemsteuerung auch das Anlagenmanagement in das digitale Zeitalter zu führen, kommen zunehmend AR(Augmented-Reality)-Brillen zur Anwendung. Diese sind bereits bei der Instandhaltung von großen Industrieanlagen täglich im Einsatz und unterstützen die Mitarbeiter bei der Reparatur und Wartung von komplexen Maschinen. Dabei trägt die Person vor Ort eine Datenbrille, die über die Verbindung mit einem geeigneten Handy das Blickfeld des Trägers in Echtzeit an einen Beobachter sendet. Somit entsteht ein unmittelbarer Wissenstransfer mit Hilfe des "virtuellen Schulterblicks". Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, dem Brillenträger Dokumente, Fotos, Anleitungen oder weitere hilfreiche Informationen direkt in den Brillenbildschirm und somit in sein Blickfeld zu schicken. Dies unterstützt die mündlichen Anweisungen erheblich und vermeidet Missverständnisse bei der Kommunikation. Auch lassen sich Fotos und Videos erstellen, die durch den Betrachter bearbeitet und dem Brillenträger in das Brillendisplay zurückgeschickt werden können.
Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten dieses Systems wurden zur Betreuung einer großen Vorbehandlungslinie getestet und haben die Erwartungen weit übertroffen. Sowohl bei der Regelbetreuung als auch zu Qualitätsüberprüfungen, Schulungszwecken und für Einsätze beim Troubleshooting ist die Brille eine Bereicherung. Zwar ersetzt die Brille nicht den Experten vor Ort, wenn es um komplexe Problemlösungen geht, allerdings kann mit dem digitalen Ansatz schnell ein erster Eindruck übermittelt und erste Lösungsmaßnahmen angeordnet werden.
Der komplette Beitrag ist in der Mai/Juni-Ausgabe von JOT erschienen.
Autor(en): Nicole Völler und Nicolas Welte, Henkel AG & Co. KGaA