Forschende der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) wurden für ihre Modellierungsarbeiten mit dem "Nachhaltigkeitspreis der GAMM Jahrestagung 2023" ausgezeichnet. Die GAMM – kurz für "Gesellschaft für angewandte Mathematik und Mechanik" – ist ein renommiertes, interdisziplinäres Netzwerk für Forschende aus der Angewandten Mathematik und Mechanik und ihrer Teil- und Nachbargebiete. Die in diesem Jahr erstmals ausgelobte Auszeichnung soll zeigen, wie sich auch mithilfe von Mathematik und Mechanik zu Nachhaltigkeitsthemen beitragen lässt.
Drei Forschungsgruppen der RPTU konnten mit ihrer gemeinschaftlichen Arbeit bei der diesjährigen GAMM-Jahrestagung in Dresden überzeugen: Ihre Untersuchung von reibungsmindernden Oberflächen wurde mit dem "Nachhaltigkeitspreis der GAMM Jahrestagung 2023" in der Kategorie "Theorie" geehrt. Zu den Ausgezeichneten gehören die Arbeitsgruppe Physik und Technologie der Nanostrukturen unter Leitung von Professor Dr. Egbert Oesterschulze mit Mitarbeiterin Ellen Bold, die sich mit der experimentellen Untersuchung befassen, das Photonik-Zentrum Kaiserslautern e.V. mit Priv.-Doz. Dr. Johannes L’huillier, Dr. Mareike Schäfer und Munehiro Chijiiwa, die für die Herstellung der Oberflächen verantwortlich zeichnen sowie der Lehrstuhl für Mikrofluidmechanik unter Leitung von Junior-Professorin Dr. Clarissa Schönecker mit Mitarbeiter Sebastian Zimmermann, welche die theoretische Untersuchung und mathematische Beschreibung der Oberflächen übernehmen. Den mit 500 Euro dotierten Preis erhielten die drei interdisziplinär arbeitenden Teams für ein von der DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft) gefördertes Kooperationsprojekt für ihre Arbeit zur Modellierung spezieller superhydrophober und flüssigkeitsgeschmierter Oberflächen.
Vereinfacht gesagt geht es bei ihrer Arbeit um flüssigkeitsabweisende Oberflächen. Sie besitzen attraktive Eigenschaften wie die Reibungsminderung von Strömungen. Um diese zu erhalten, werden oft chemische Oberflächenbeschichtungen eingesetzt, unter anderem mit problematischen Stoffen wie PFAS (Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen). Dabei handelt es sich um eine Gruppe von mehreren Tausend Chemikalien, die sich über lange Zeit im Körper und in der Umwelt anreichern können. Sie stehen im Verdacht, sich negativ auf die Gesundheit von Menschen und auf die Umwelt auswirken zu können. Im Sinne von Nachhaltigkeit und Gesundheit gilt es den Einsatz dieser Chemikalien zu reduzieren.
Neben der chemischen Beschichtung können allerdings auch in die Oberfläche eingearbeitete Mikrostrukturen eingesetzt werden, um bestimmte Wandeigenschaften gezielt herbeizuführen. Lufteinschlüsse innerhalb dieser Strukturen führen dann ebenfalls zu den flüssigkeitsabweisenden und reibungsmindernden Eigenschaften. Dieser Zustand ist jedoch häufig instabil, da die Strömung in die Mikrostrukturen eindringen kann und die Luft irreversibel verdrängt. Die erwünschten Eigenschaften der Oberfläche sind dann größtenteils verloren. Genau hier setzt die Arbeit der Kaiserslauterer Forschenden an: Sie haben spezielle Oberflächen entwickelt, die eine besondere Geometrie der Mikrostrukturen besitzen. Dadurch kann die Flüssigkeit deutlich schwerer in diese Oberflächenstrukturen eindringen. Im Gegensatz zu bisherigen Konzepten versprechen die im Projektverlauf entwickelten Oberflächen eine bessere Anwendbarkeit und höhere Stabilität der Lufteinschlüsse. Somit kann auf den Einsatz besagter Chemikalien verzichtet – und gleichzeitig eine bessere Reibungsverminderung erreicht werden.
Die Entwicklung analytischer Modelle im Rahmen des Projekts erlaubt zusätzlich, exakt zu beschreiben, was passiert, wenn entsprechend mikrostrukturierte Oberflächen überströmt werden. Mit den neuen Modellen habe man nun leistungsstarke Werkzeuge zur Hand, um die Geometrie dieser Oberflächen zu bewerten, zu verstehen, sie zu optimieren und um sie energieeffizienter zu machen, erklären die Forschenden.
Die Anwendungsperspektiven seien zahlreich, sagt Clarissa Schönecker: "Mit unserem Ansatz lassen sich viele strömungsdynamische und verfahrenstechnische Anwendungen effizienter gestalten. Das reicht von der Reduzierung des Pumpaufwands bis hin zur Verbesserung mehrphasiger Membranprozesse." Die durch geometrische Konfiguration erzielte zusätzliche Stabilität der Lufteinschlüsse mache den Einsatz von höherviskosen Schmiermitteln in vielen Fällen obsolet. "Dank der neuen Oberflächen können Verunreinigungen durch beispielsweise Öle stark reduziert oder ganz vermieden werden."
Autor(en): mak