Die industrielle Fertigung generiert eine wachsende Zahl von Daten, die – zielgerichtet ausgewertet und in Zusammenhang gesetzt – eine flexible Neuordnung von Produktionen ermöglicht. Funkeinheiten in Werkzeugmaschinen stellen heute Netzwerkfähigkeit her, Sensoren übermitteln verschiedenste Betriebsdaten. Damit können Anwender das Maschinenverhalten überwachen oder Bearbeitungsprozesse optimal einstellen. Aber das ist nur ein Bruchteil der Möglichkeiten. Umfassender wird das Bild mit dem sogenannten Digitalen Zwilling. Er spiegelt als Abbild die Realität in Form von Modellen und Daten wider. Dies trifft auf Prozesse, Maschinen, Anlagen, Produkte und Services zu. Die Technologie hat zwar Anwendungsreife erreicht, wird aber bislang nur punktuell in der Praxis eingesetzt. "Stellen Sie sich vor, alle Prozessebenen im Unternehmen, von Produktentwicklung und Einkauf über Fertigung und Montage bis zu Vertrieb und Marketing würden mit solchen Systemen unterfüttert," sagt Dr. Kai Lindow, Bereichsleitung Virtuelle Produktentstehung am Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK. „Werden diese auch noch disziplinübergreifend verknüpft, entsteht ein 360°-Zwilling, ein hochintegriertes Unternehmensabbild, mit dessen Hilfe ein bisher unerreichter Grad an Effizienz in die Wertschöpfung gebracht werden kann."
Geeignete Datensätze mit IoT-Plattformen erheben
Noch aber stehen selbst etablierte Unternehmen der produzierenden Industrie bei der intelligenten Datennutzung ganz am Anfang. Denn die Herausforderungen beginnen schon früher. Zum Start jeder Fertigungsdigitalisierung muss zunächst analysiert werden, welche Daten für den unternehmensspezifischen Use Case sinnvoll sind. "Von Big Data zu Smart Data" heißt das Motto, damit Datenvolumina überschaubar und genau die Daten erhoben werden, die für das jeweilige Unternehmen Mehrwert ermöglichen. Um aus Rohdaten aussagefähige Daten zu extrahieren, bedarf es neuer IoT-Architekturen, unterstützt durch Cloud- und Edge-Technologien zur Anwendung in der Produktion. Das komplexe Zusammenspiel von Datenökosystem, Infrastruktur und Services wird unter anderem im europäischen Cloud-Projekt "Gaia-X" untersucht, an dem Forschende des Fraunhofer IPK mitwirken. Dabei werden auch Datensicherheit und Datensouveränität adressiert. "Im Bereich durchgehender Datenflüsse besteht viel Nachholbedarf," stellt Dr. Patrick Müller, Mitglied der Geschäftsleitung von Contact Software fest. Die Gründe dafür sind vielfältig: "Es gibt zum Beispiel viele IoT-Plattformen, aber fast alle bedienen ein eingeschränktes Anwendungsfeld. Das macht es schwer, Konnektivität herzustellen, um Daten aus allen relevanten Unternehmensbereichen im Sinne integrierter Anwendungen, beispielsweise Cockpits, zusammenzuführen." Der nächste logische Schritt im Datenhandling muss deshalb sein, ein umfassendes Product Lifecycle Management (PLM) mit der Ablaufsteuerung bis auf den Hallenboden zu verknüpfen, sodass etwa Konstruktionsdaten ohne Umwege zur Einrichtung von Fertigungsprozessen herangezogen werden können. Werden über die eigenen Daten hinaus auch Daten von Zulieferfirmen einbezogen, können Unternehmen aus diesen Umfeldinformationen schnell Handlungsalternativen entwickeln, wenn etwa eine Lieferkette abreißt.
Datenbasierte Wertschöpfung erhöht die Wirtschaftlichkeit
Smartes Datenmanagement wird zukünftig unerlässlich, wenn Unternehmen ihre Prozesse vereinfachen oder beschleunigen wollen – zum Beispiel mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) und Maschinellem Lernen. Intelligente Ablaufsteuerung wird ebenso Realität wie adaptive Assistenzsysteme, die das Handling von Varianten, die Qualitätssicherung oder die Instandhaltung von Maschinenparks unterstützen. Serviceangebote auf Basis von Maschinen- und Anlagendaten werden neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Effizientes Datenhandling, sichere Datenübertragung und intelligente Datennutzung werden die Wertschöpfung in der industriellen Produktion damit auf eine neue Stufe heben, ist sich Dr. Kai Lindow sicher. "Gemeinsam mit unseren Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft werden wir am Fraunhofer IPK in den nächsten Jahren dafür verstärkt Lösungen und Technologien entwickeln," so Lindow.
Autor(en): wi