Die Lieferketten von Produkten wie Autos sind komplex und vernetzt. Störungen können sogar dazu führen, dass Autohersteller trotz Nachfrage ihre Produktion herunterfahren müssen, weil einzelne Komponenten fehlen. Eine konsequente Digitalisierung kann Lieferketten resilienter machen und solche Ausfälle vermeiden helfen. Zudem versprechen digitalisierte Wertschöpfungsketten eine bessere Rückverfolgbarkeit und mehr Nachhaltigkeit: Sie können potenziell Aufschluss geben über das Einhalten von Umwelt- und Sozialstandards entlang der Lieferkette, über den gesamten CO2-Fußabdruck oder über Wiederverwertungsmöglichkeiten des Produkts. Speziell für die Automobilbranche schaffen Catena-X und ähnliche Projekte neue Datenökosysteme mit den zugehörigen Services, Apps und Konnektoren. Solche Datenökosysteme skalieren jedoch nur, wenn viele Teilnehmer Daten bereitstellen oder nutzen. In diesem Fall ist der Mittelstand als Deutschlands industrielles Rückgrat im Fokus. Damit die Transformation entlang der gesamten Lieferkette und nicht nur bei OEMs und Tier-1-Lieferanten Fahrt aufnimmt, müssen KMU stärker eingebunden werden. Dazu wurde das Projekt Transfer-X ins Leben gerufen. Das Transferprojekt soll eine webbasierte Wissensplattform für leicht verständliche Informations- und Schulungsmaterialien schaffen – mit dem Ziel, Mittelständler zu motivieren und zu befähigen, an der digitalen Transformation der Wertschöpfungsketten teilzuhaben.
Die Lücke zur Praxis schließen
Die beträchtlichen Potenziale zu heben – und gleichzeitig, trotz globaler Datenschnittstellen, das Know-how, die Interessen und die Datensouveränität aller Beteiligten zu schützen – ist das Ziel von Projekten wie Catena-X. Allerdings: "Während die technologischen Herausforderungen in F&E-Projekten; wie Catena-X umfassend adressiert werden, bleibt ein "missing link" mit Blick auf die Praxis", konstatiert Dr. Olaf Sauer, Geschäftsfeldkoordinator Automatisierung und Digitalisierung am Fraunhofer-Institut IOSB. Denn die entstehenden Datenplattformen und -ökosysteme könnten nur dann zum Erfolg werden, wenn eine kritische Masse der potenziellen Nutzer auch wirklich mitmache. "Das betrifft in diesem Fall unzählige kleine und mittlere Unternehmen, die sich mit der notwendigen, durchaus disruptiven Transformation hin zu einer Datenökonomie natürlicherweise schwertun", so Sauer weiter. In diese Lücke zielt das neue Transferprojekt Transfer-X, das das Fraunhofer IOSB gemeinsam mit dem DLR leitet. Aufsetzend auf Catena-X und anderen im Rahmen des Konjunkturpakets 35c geförderten Projekten entsteht ein Transformations-Hub, der den Transfer der F&E-Ergebnisse in den Mittelstand vorantreibt und aktiv begleitet. Projektleiter Sauer: "Um es auf den Punkt zu bringen: Wir wollen möglichst viele Unternehmen möglichst schnell dazu motivieren und befähigen, an den Datenökosystemen teilzunehmen. Denn nur so können die entwickelten Lösungen skalieren." Zu diesem Zweck sollen multimediale und interaktive Inhalte, sogenannte Transfermodule, geschaffen und auf einer einfach zu bedienenden Webplattform veröffentlicht werden. Diese leicht verständlichen Motivations- und Wissenshäppchen sollen Sauer zufolge auf ganz spezielle Zielgruppen innerhalb KMU zugeschnitten sein: "Zum Beispiel wollen wir einer geschäftsführenden Person zeigen, welchen unmittelbaren Nutzen ihr Unternehmen davon hat, wenn es Teil des Daten-/Dienste-Ökosystems wird und dort Daten einbringt sowie von anderen Unternehmen zugespielt bekommt – aber auch, welche Voraussetzungen es dafür erfüllen muss." Weiterführend könnte dieselbe Person sich informieren, wie sich mit digitalen Werkzeugen der CO2-Fußabdruck des Unternehmens nachhaltig
reduzieren lässt oder wie dieses im Kontext des Daten-/Dienste-Ökosystems möglicherweise neue Geschäftsmodelle erschließen könnte. "Ein Einkäufer lernt dagegen beispielsweise, wie er bei der Suche nach neuen Rohstofflieferanten unterstützt wird und sicherstellen kann, dass die Lieferanten Sozial- und Umweltstandards einhalten." Ebenso seien Transfermodule in Planung, die sich an Produktionsleiterinnen, Disponenten oder IT-Fachleute richteten. Ein Projektkonsortium hat nun begonnen, diesen Transformations-Hub und die Inhalte dafür zu entwickeln. Es wird koordiniert von einem Tandem aus dem Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB (Karlsruhe und Lemgo) und dem Institut für KI-Sicherheit des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (St.
Augustin). Beteiligt sind weiterhin ARENA2036, Catena-X Automotive Network e.V., die Ostbayerische Technische Hochschule Amberg-Weiden, die Automotive Agentur Niedersachsen, die Fraunhofer-Institute für Materialfluss und Logistik IML sowie für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU und die Fraunhofer-Academy. Das
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) fördert Transfer-X über 33 Monate mit insgesamt rund 8 Millionen Euro.
Autor(en): wi