Die Qualität von Präzisionsbauteilen über den gesamten Produktionsprozess durchgehend zu prüfen, ist nicht trivial. Oftmals werden die Bauteile über Werks- oder Unternehmensgrenzen hinaus gefertigt oder bearbeitet. Viele Komponenten sind nur wenige Millimeter groß, die Bauteilgeometrien komplex. Zudem liegen die Fertigungstoleranzen häufig bei wenigen Mikrometern. Mit optischen 3D-Messverfahren lassen sich Geometrie- oder Oberflächendefekte in der Produktion aufspüren. Wer jedoch aus wiederkehrenden Fehlern lernen möchte, muss in der Lage sein, die Messdaten intelligent zu nutzen und sie an jeder Stelle der Produktion individuellen Bauteilen zuzuordnen. Voraussetzung hierfür ist eine Bauteil-Rückverfolgung. Für die Rückverfolgung von Produkten werden in der Regel Bar- oder Datamatrixcodes genutzt. Bei Präzisionsbauteilen fehlt der nötige Platz für solche Markierungen. Das markierungsfreie Track-&-Trace-Trace-Fingerprint-Verfahren vom Fraunhofer IPM nutzt die individuelle Mikrostruktur der Bauteiloberfläche für die Identifikation: Ein definierter Bereich der Bauteiloberfläche wird mit einer Kamera hochaufgelöst aufgenommen. Aus der Bildaufnahme mit ihren spezifischen Strukturen und deren Position wird eine numerische Kennung errechnet und einer ID zugeordnet, der Fingerprint. Diese Paarung wird in einer Datenbank hinterlegt. Zur späteren Identifizierung wird der Vorgang wiederholt, ein Datenabgleich liefert die ID zurück. Ein ausführlicher Artikel zu dem Verfahren ist in der Ausgabe 5/2022 von JOT erschienen. Im Projekt ProIQ wurde die Technologie erstmals auch für rotationssymmetrische Objekte genutzt. Die Schwierigkeit: Der Fingerprint-Bereich muss zur Identifikation exakt positioniert sein. Leichte Ungenauigkeiten können bei rechteckigen Bauteilen softwareseitig durch Verschieben oder Verdrehen der Aufnahme in den Fingerprint-Bereich korrigiert werden – nicht so bei rotationssymmetrischen Bauteilen. Hier bleibt die Rotationslage unbekannt, sodass die Fingerprints nicht abgeglichen werden können. Das Fraunhofer IPM hat daher den Track-&-Trace-Fingerprint-Algorithmus weiterentwickelt. Der Fingerprint beinhaltet nun Informationen aus allen Rotationslagen, verwirft aber gleichzeitig die dabei entstehenden redundanten Informationen. Damit ist ein Abgleich im Produktionstakt auch bei unbekannter Rotationslage möglich.
Bauteile sicher identifiziert
Dass dies funktioniert, wurde anhand von Präzisionsbauteilen der Projektpartner Robert Bosch und Sirona Dental Systems gezeigt: Bei Bosch gelang es dem Team, Düsennadeln für den Hochleistungsinjektor anhand der Stirnseite der zylinderähnlichen Bauteile seriennah zu identifizieren. Bei der Kopfwelle eines Dentalbauteils von Sirona stand keine Stirnfläche zur Verfügung, sodass hier die Mantelfläche mit einem eigens entwickelten Lesesystem aufgenommen wurde. Eine besondere Herausforderung dabei war, dass die Bauteile geschliffen und gehärtet werden, was die Oberfläche verändert. Dennoch wurden zum Projektabschluss mit Ausnahme eines einzigen, stark beschädigten Bauteils alle Komponenten sicher identifiziert. Damit wäre die markierungsfreie Rückverfolgung anhand der Oberfläche alternativen Technologien wie dem Datamatrix-Code deutlich überlegen.
Das Projekt ProIQ (Adaptive, prozessübergreifende Qualitätsregelkreise mittels photonischer Sensoren zur Identifikation und Qualitätsmessung von Hochpräzisionsbauteilen) wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
Autor(en): wi