Neue Oberflächen-Trends im Fahrzeug-Innenraum betreffen vor allem die funktionale Ebene, das heißt die "Mensch-Auto-Schnittstelle". Hier bieten die Hersteller ganz neue Bediensysteme. Aber auch für die eingesetzten Werkstoffe und das Design gelten neue Trends, wie das Gespräch mit einigen führenden Automobilzulieferern zeigt. Der Automobilzulieferer Asahi Kasei hat eine Studie zu den Trends im Kfz-Innenraum in Auftrag gegeben und die Ergebnisse kürzlich veröffentlicht. In einem Schlagwort zusammengefasst lautet das Fazit: Interieur ist das neue Exterieur. Das heißt: Die Ausstattung und die Anmutung des Innenraums werden immer wichtiger für die Bewertung und Kaufentscheidung. Außerdem – so ein weiteres Ergebnis der Studie – gehe die Markentreue zurück. Autohersteller haben somit stärker als zuvor die Gelegenheit, durch ein stimmiges Interieur neue Kunden zu gewinnen. Nur 11,4 % der Befragten hatten kein Interesse daran, besonders hochwertige Oberflächen an den Sichtteilen des Interieurs (Sitze, Dachhimmel, Armaturen) im eigenen Auto zu haben. 44 % sehen darin einen Vorteil und 32 % würden sogar einen "angemessenen" Mehrpreis bezahlen. Das Interieur im Automobil wird also tatsächlich hoch bewertet. Das betrifft nicht nur das Design, sondern auch die Funktionen. Yanfeng, einer der größten Zulieferer für komplette Interieurs, sieht einen zentralen Trend in der Integration digitaler Technologien in die Oberfläche. So hat der Zulieferer zum Beispiel ein robustes Herstellungsverfahren entwickelt, um anpassbare Hinterleuchtungseffekte mit statischen oder dynamischen Gravuren auf Soft-Touch-Oberflächen anzuwenden. Damit lassen sich Beleuchtungstechnologien nahtlos in herkömmliche Leder und andere Materialien integrieren.
Nachhaltigkeit im Fokus
Die Studie von Asahi Kasei belegt auch: Nachhaltige Materialien im Automobil sind im Trend und erwünscht – insbesondere im Innenraum. Je jünger die Befragten, desto wichtiger das Thema, dessen Bedeutung also weiter zunehmen dürfte. Dieser Trend wird unter anderem von imat-uve adressiert. Der Spezialist für automobile Interieur-Oberflächen mit Sitz in Krefeld hat sich an einem Projektkonsortium beteiligt, dessen Ziel die Erzeugung von hochwertigen Garnen und Textilien aus Altkleiderabfällen ist – und zwar rein mechanisch, ohne Chemie. Am Ende des Fahrzeuglebens sind die Materialien im Sinne der Kreislaufwirtschaft wieder recyclingfähig. Faurecia, ein globaler Marktführer für das Kfz-Interieur, verwendet vegane Lederalternativen und Oberflächenmaterialien mit pflanzlichen Fasern, bei denen Polyproplenharz und Hanffasern im Spritzguss verarbeitet werden.
Dünne Schichten, transparente Oberflächen
Ein weiterer wichtiger Aspekt beim Automobil ist die dauerhaft hochwertige Optik bei gleichzeitig wirtschaftlicher Produktion. So hat Asahi Kasei mit "SoForm" ein neues glasfaserverstärktes Polyproplylen entwickelt, das sich für die Produktion von Instrumententafeln, Türverkleidungen und andere Sichtteile eignet. Es zeichnet sich durch verbesserte Kratz- und Rissbeständigkeit aus. Dabei muss der Zulieferer das Bauteil nicht mehr lackieren, umspritzen oder umschäumen. Yanfeng nutzt ein Verfahren, das Keramik spritzgussfähig macht. Auf diesem Weg entstehen Dekorteile mit glatter, glänzender und sehr kratzfester Oberfläche, die ähnlich aussieht. Darüber hinaus zeigt Yanfeng Interieur-Komponenten mit einer sehr edel anmutenden kristallinen Optik auf der Oberfläche, beispielsweise in Hochglanzsilber oder Hochglanz-Schwarz. Dieses Verfahren erlaubt die Anwendung von Dekorfolien mit verborgenen Berührungsfunktionen und 3D-Designmöglichkeiten mit hochglänzenden Oberflächen. Bei Faurecia sieht man die Trends zur Transparenz und Integration auf den Teleoberflächen. Sie bieten zum Beispiel die Möglichkeit, einzelne Holz-Schichten so dünn zu gestalten, dass sie lichtdurchlässig sind und für somit für Ambiente-Beleuchtung oder zum Einblenden von Bedienelementen genutzt werden können. Zudem gestaltet Faurecia mit sogenannten "Premium synthetics" semi-transparente Oberflächen, die tagsüber wie eine dekorative Fläche aussehen, aber den Insassen bei Nacht mit Ambiente-Beleuchtung oder einer gemusterten Oberfläche überraschen.
Im Trend: Nahtlose Übergänge und Ambientebeleuchtung
Bei der Mensch-Maschine-Schnittstelle im Cockpit gibt es neue Konzepte wie Touch Screens, Head-up-Displays und Gesten- oder Sprachsteuerung. Allen gemeinsam ist, dass man auf Schalter und Knöpfe weitestgehend verzichten kann. Ein Trend ist hier offenbar die Großflächigkeit, wie es Tesla vormacht. Leonhard Kurz hat beispielweise ein Bediendisplay entwickelt, das fast einen Meter breit ist, im "Fading-Lines"-Design gestaltet wurde und nahtlos diverse Anzeige- und Bedienfunktionen integriert. Nach Ansicht der Experten von Leonhard Kurz gehört solchen Displays die Zukunft. Der Trend gehe weg von mechanischen Funktionen hin zur Touch- und Gestensteuerung sowie zu dreidimensionalen Oberflächen. Auch das Lichtdesign gewinne an Bedeutung. Das bringt es mit sich, dass zunehmend Elektronikelemente in die Oberflächen beziehungsweise direkt darunter integriert werden. Ein weiterer aktueller Trend im Kfz-Interieur ist "Ambient Light". Dräxlmaier hat für diese Aufgabe die "dLight-MP"-Technologie entwickelt. Sie ermöglicht es Muster, Motive oder Symbole direkt durch eine fein perforierte Lederoberfläche sichtbar zu machen oder aber versteckte Schalter zu illuminieren.
Der klare Trend zur Sprach- und Gestensteuerung im Fahrzeug macht deutlich: Man kann die Mensch-Maschine-Schnittstelle auch ohne Oberflächen gestalten. Diesen Trend treibt das englische Unternehmen Ultraleap mit einem taktilen Feedback für Gestensteuerungen voran. Wenn der Fahrer per Geste einen Bedienbefehl gibt, löst ein Ultraschallsensor ein Signal aus, das sich für den Bediener so anfühlt, als hätte er eine Oberfläche berührt – und das mitten in der Luft. Diese verblüffende Art der Bedienung kommt in einem Konzeptfahrzeug von PSA (DS Aero Sport Lounge) zum Einsatz. Ultraleap verweist auf eine Studie der University of Norwich, nach der diese Art der Bedienung den Fahrer wenig ablenkt und als sehr angenehm empfunden wird.
Ziel: Den Autofahrer begeistern, aber nicht ablenken
Wie geht die Entwicklung im Bereich Automobil weiter? Wird die Bedeutung des Interieurs weiter zunehmen? Eine Trendumkehr ist jedenfalls nicht in Sicht; mit dem autonomen Fahren wird die Aufenthaltsqualität im Auto sogar noch wichtiger. Sowohl Komforteigenschaften als auch ein hohes Hygieneniveau werden gefragt sein. Die Nachhaltigkeit rückt immer stärker in den Blick und auch die haptische Anmutung spielt eine Rolle.
Der komplette Beitrag ist in der September-Ausgabe von JOT erschienen.
Autor(en): Gerald Scheffels, Fachjournalist