Das in vierter Generation geführte Familienunternehmen Stolle ist ein Spezialist für Aufspannplatten und fertigt bis zu 25 Tonnen schwere Gussteile für den Werkzeugmaschinenbau, die Messtechnik und den Prüfstandsbau. Die individuell unterschiedlichen Rohgussteile werden in der eigenen Gießerei in Formgruben geformt und gegossen. Nach dem Kippen und Entgraten befinden sich Formsandrückstände, Vererzungen und andere Gießereianhaftungen an den verippten Gussteilen, die entfernt werden müssen. Seit 1988 nutzt Stolle dafür eine Rollengang-Strahlanlage. Ohne den Strahlprozess wäre eine weitere Bearbeitung aufgrund des hohen Werkzeugverschleißes kaum möglich. Die fast 35 Jahre alte Strahlanlage stieß jedoch langsam an ihre Grenzen und konnte den heutigen Qualitätsanforderungen nicht mehr standhalten. Da ein Retrofit hier keine Option war, investierte Stolle Ende 2021 in eine neue Rollbahn-Strahlanlage von Agtos. "Wenn eine Anlage über 30 Jahre alt ist, kann ein Retrofit meistens nicht mehr viel bewirken. Wir hätten zwar unsere Anlage quasi wie neu gehabt, aber das zu einem sehr hohen Preis. Außerdem ist der Qualitätsanspruch heute einfach ein anderer als noch vor 30 Jahren", erklärt Geschäftsführer Martin Stolle.
Prozessgeschwindigkeit deutlich erhöht
Neben der höheren Qualität sollte die Anlage auch den Prozessablauf verbessern und Arbeitszeit sowie Energiekosten reduzieren. "Während bei der alten Anlage pro Werkstück zwei bis vier Strahlvorgänge notwendig waren, ist nun ein Strahlvorgang ausreichend. Dadurch reduziert sich auch unser Stromverbrauch", erzählt Stolle weiter. "Möglich macht dies vor allem die 3-fache Anzahl an Turbinen", ergänzt Gießerei-Produktionsleiter Florian Lorenz. Ein weiterer zeitsparender Faktor ist die automatische Abreinigung der Werkstückoberflächen nach dem Strahlvorgang mittels entsprechender Abbürst- und Abblasvorrichtungen. Bei der Altanlage mussten diese Schritte noch per Hand durchgeführt werden und waren mit schwerer körperlicher Arbeit verbunden. Die neue Anlage ist eine sogenannte All-in-One-Anlage mit integrierter Filteranlage, die sich platzsparend auf der Maschine befindet. Für den Strahlprozess werden die Gussteile am Einlaufrollgang aufgelegt und der Vorgang per Knopfdruck gestartet. Nach dem Start des Rollgangs aktivieren die Werkstücke die vor der Einlaufschleuse befindliche Lichtschranke zur automatischen Strahlmittelzufuhr. Hierdurch wird sichergestellt, dass nur gestrahlt wird, wenn sich Werkstücke im Strahlbereich befinden. Die Lichtschranke dient außerdem dazu, die Abreinigung auf die richtige Höhe einzustellen: Je nach Dicke der zu strahlenden Teile richtet sich die Bürste entsprechend aus, um so einen zu schnellen Bürstenverschleiß zu vermeiden. Die Einlaufschleuse ist zur Abdichtung mit verschleißfesten Gummi-Vorhängen ausgestattet. Die Abdichtung von unten erfolgt durch Gummi-Abdichungen. Gestrahlt wird mit einem Stahlguss-Strahlmittel der Körnung 1,25 bis 2,00 mm, das zur kontinuierlichen Nutzung im Umlauf gehalten und gereinigt wird. Über die Strahlmitteldosiereinrichtung gelangt das gereinigte Strahlmittel vom Strahlmittelbunker vollautomatisch zu den Hochleistungsturbinen. Das Unterkorn ist recyclingfähig als Abfallprodukt. Die Geometrie der Werkstücke bringt es mit sich, dass sich während des Strahlprozesses große Mengen Formsand im Strahlmittel befinden. Daher wurde eine Lösung geschaffen, Teile des Strahlmittels den Kreislauf während und nach dem Strahlprozess mehrmals durchfahren zu lassen, sodass es optimal gereinigt wird. Diese Maßnahme ermöglichte es, auf eine sonst im Gießereibereich übliche Magnet-/Windsichtung zu verzichten und Investitionskosten zu vermeiden.
Drei bis fünf Werkstücke pro Tag
Auf der Strahlanlage werden derzeit etwa drei bis fünf Werkstücke pro Tag gestrahlt. Ein Strahlvorgang dauert dabei circa 20 bis 25 Minuten - je nach Größe des zu bearbeitenden Werkstücks. Notwendige Wartungsmaßnahmen werden rechtzeitig an der Maschine am Display angezeigt. Im Fall von Störungen ist auch eine direkte Fernwartung durch Agtos möglich. Sowohl die Firma Stolle als auch Agtos freuen sich über das erfolgreich abgeschlossene Projekt. "Wir sind mit der Beratung, der Projektarbeit und der Betreuung nach Produktionsbeginn durch Agtos sehr zufrieden. Der Aufbau der Anlage erfolgte problemlos gemäß Projektplan, sodass die Anlage termingerecht im Dezember 2022 in Betrieb ging", berichtet Lorenz. Für Agtos selbst war die Anlage eine Besonderheit: "Normalerweise werden Gussteile in Gießereien hängend transportiert. Um den Fluss nicht zu unterbrechen, kommen daher meist Hängebahn-Strahlanlagen zum Einsatz. Eine Rollbahn-Strahlanlage für eine Gießerei haben wir zum ersten Mal konstruiert. Doch da wir uns als Sondermaschinenbauer verstehen, haben wir diese Herausforderung gerne angenommen", so Ulf Kapitza von Agtos.
Die Reportage ist auch im Printheft in Ausgabe 10/2022 erschienen.