In einem weiteren Brief an den Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Dr. Robert Habeck legt der Zentralverband Oberflächentechnik e.V. (ZVO) im Namen von 1200 Branchen-Unternehmen erneut die bedrohliche Situation der Galvano- und Oberflächentechnik dar und stellt eine Reihe von Forderungen im Zusammenhang mit der geplanten Gas- und Strompreisbremse. Die Entscheidung zur Umsetzung der Gas- und Strompreisbremse ab 1. Januar 2023 begrüßt der ZVO ausdrücklich. Allerdings erachtet er einige der bisher vorgesehenen Rahmenbedingungen aus Sicht einer energieintensiven Branche als kritisch:
1. Bemessungsgrenze für den Jahresstromverbrauch/Jahresgasverbrauch
Das Bemessungsjahr 2021 war für viele Unternehmen der Oberflächenbranche ein schwieriges, vielfach mit Kurzarbeit behaftetes Jahr. Die Verbräuche lagen entsprechend stark unter dem Durchschnitt der vergangenen Jahre. Die Auslastung sei 2022 höher und somit das Bemessungsjahr 2021 nachteilig für die Branchenunternehmen. Der ZVO regt daher an, die Bemessungsgrenze für energieintensive Unternehmen, für die Strom und Gas quasi ein Rohstoff ist, in Abhängigkeit vom Anteil Energieaufwand am Umsatz oder auf Basis eines durchschnittlichen Verbrauchs der letzten fünf Jahre festzulegen.
2. Deckelung des Strompreises
Die Begrenzung auf 13 Cent für Strom bedeute für energieintensive Unternehmen immer noch mindestens eine Verdreifachung des Preises, bei einem bisherigen Kostenanteil von 12 bis 20 %. Dies ist eine extreme Belastung, mit der die Firmen im internationalen Bereich nicht wettbewerbsfähig seien.
3. Deckelung des Gaspreises
Branchenunternehmen nutzen Gas nicht nur zum Heizen, sondern auch als Produktionsfaktor innerhalb ihrer Beschichtungsprozesse und sind zur Aufrechterhaltung dieser Beschichtungsprozesse häufig vom Gas abhängig. Trotz Deckelung werden die Kosten immer noch beim mindestens Dreifachen der Vorjahreskosten liegen. Weder die durch die jeweiligen Deckelungen erzielbaren Strom- noch Gaspreise seien für die Unternehmen im internationalen Wettbewerb tragbar. Der ZVO regt eine erneute Überprüfung an, energieintensive Unternehmen mit einem niedrigeren und wettbewerbsfähigeren Arbeitspreis zu unterstützen.
4. Umsetzung des Energiekostendämpfungsgesetzes (EKDG)
Das Energiekostendämpfungsprogramm helfe nur sehr eingeschränkt, da die damit verbundenen bürokratischen Aufwendungen, engen Fristen und hohen Kosten von den meisten KMU nicht zu stemmen seien. Außerdem haben die Unternehmen, welche einen Antrag gestellt haben, bislang keinerlei Rückmeldung der Bafa erhalten.
5. Bürokratiebremse
Die gesamte Wirtschaft benötige dringend eine Senkung der zusätzlichen bürokratischen Belastungen.
6. Stromverträge und Versorgungssicherheit
Die ZVO-Mitgliedsunternehmen beklagen zunehmend, keine Anschlussverträge für die Belieferung von Strom zu erhalten. Stromanbieter ziehen sich aus dem Markt zurück, weil die Risiken für sie selbst unkalkulierbar sind. Hat ein Unternehmen ein schlechtes Rating, sind die Chancen nahezu aussichtslos, einen Versorger zu finden. Anders als bei Privatpersonen haben Firmen jedoch keinen Anspruch auf Grundversorgung. Es bestehe kurzfristig dringender Handlungsbedarf seitens der Politik, da zum Jahresende viele Stromverträge auslaufen.
7. Zahlungsausfälle
Meldungen der großen Kreditversicherer bestätigen, dass sich die Zahlungsmoral in den vergangenen Wochen deutlich verschlechtert hat. Dies könne in Kürze insbesondere für die deutsche Galvanotechnik, die aus reinen Lohndienstleistungen besteht, ein großes Problem werden: Forderungsausfälle, die vielfach nicht versicherbar sind, könnten die Betriebe mit in die Insolvenz ziehen.
8. Sicht der Auslandskunden
Kunden aus dem Ausland zeigen Unverständnis für die Situation in Deutschland und erkennen volatile Teuerungszuschläge für Gas- und Strom nicht an. Sie fordern eine seriöse und planbare Kalkulationsbasis, andernfalls werden Aufträge abgezogen. Diese Kalkulationsbasis könne die Branche allerdings momentan nur schwer bieten.
9. Langfristiger Lieferverträge
Viele der Branchen-Unternehmen, insbesondere Zulieferer an die Automobilindustrie, sind aufgrund langfristiger Lieferverträge gebunden, ohne dass gestiegene und steigende Energiepreise an diese Kunden weitergegeben werden können.
10. Chemikalienverknappung, gravierende Mangellage und Preisexplosionen
Die Gaskrise führte in den vergangenen Monaten zu extremen Engpässen bei Grundchemikalien. In Folge der Mangelsituation sind die Preise explodiert. Diese Mehrkosten "on Top" seien für die Branche kaum tragbar.
Der ZVO fordert deshalb:
- Eine Reduzierung der Steuern und Abgaben auf das europäische Mindestmaß
- Die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren
- Eine zusätzliche Dämpfung der Kostensteigerungen bei den Netzentgelten,
- Den Abbau bürokratischer Hürden und die Wiederherstellung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit für den Industriestandort Deutschland
- Die Einführung eines europaweit einheitlichen Industrie-Strompreises
Autor(en): wi